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Warum hat mein Tier Krebs?

 

Wenn bei einem Tier (oder auch bei einem Menschen) Krebs diagnostiziert wird, steht fast sofort die Frage nach dem Warum im Raum. Es ist menschlich, dass wir wissen möchten, warum gerade jetzt mein Tier betroffen ist, und ob man etwas hätte anders machen können.

In den wenigsten Fällen gibt es darauf eine Antwort, vor allem auch deshalb, wenn wir uns überlegen, was Krebs überhaupt ist:

Der Körper besteht aus Milliarden von Zellen. Diese müssen ständig erneuert werden, manche Zellen leben nur einige Tage. Diese Erneuerung stellt ein Gleichgewicht dar aus Zellen, die neu gebildet werden und anderen, die absterben und eliminiert werden. Wir können uns vorstellen, dass dies ein extrem komplexer Vorgang ist und dass dabei jederzeit „Fehler“ passieren können, also, dass zum Beispiel plötzlich viel mehr Zellen als benötigt gebildet werden. Eigentlich ist es erstaunlich, dass diese Fehler nicht häufiger passieren. Genau gesagt passiert dies sehr häufig, im Normalfall zerstört das Immunsystem sofort Zellen, welche fehlerhaft sind. Geschieht dies nicht, bildet sich ein immer grösser werdender Zellhaufen – ein Tumor ist entstanden.

Beim Menschen sind sehr viele „Faktoren“, die zu solchen Fehlern führen, genau erforscht – ein Klassiker ist zum Beispiel das Rauchen. Daneben gibt es genetische Faktoren – so weiss man, dass das Risiko für bestimmte Krebsarten vererbt wird. Das Alter ist ebenfalls ein wichtiger Faktor – je älter wir werden, desto höher ist das Risiko, einer Krebserkrankung. Hier dürfte vor allem eine Rolle spielen, dass das erstens mehr Fehler bei der Zellerneuerung passieren und zweitens das Immunsystem nicht mehr so leistungsfähig ist.

Bei den Tieren gibt es sehr viel weniger Daten dazu. Man kann aber davon ausgehen, dass viele der Faktoren, die beim Menschen eine wichtige Rolle spielen, bei Tieren eine ähnliche Bedeutung haben dürften. So ist das Alter ganz klar auch bei Tieren von grossem Einfluss. Passivrauchen kann heute bei Katzen ebenfalls mit gewissen Krebstypen wie Lymphdrüsenkrebs in Verbindung gebracht werden. Gewisse Krebsarten sind bei manchen Rassen deutlich häufiger als bei anderen, die Genetik spielt also sicher ebenfalls eine Rolle.

Auf einen viel diskutierten Punkt möchte ich hier zum Schluss noch eingehen: die Kastration. In vielen Bloggs und Foren wird vehement davor gewarnt, vor allem Hunde, aber zunehmend auch Katzen, zu kastrieren, weil dadurch vermehrt Krebserkrankungen entstehen.

Ich möchte an dieser Stelle nicht darüber schreiben, ob man Hunde und Katzen kastrieren soll und ich mache dazu auch niemandem Vorschriften. Diese Entscheidung soll und muss jede Tierbesitzerin und jeder Tierbesitzer selbst treffen, wir stehen auf Wunsch gerne beratend zur Seite. Es ist aber wichtig, die herumgeisternden Zahlen etwas genauer anzusehen und nicht einfach nur die „Schlagzeile“ in die Runde zu werfen:

Kastrierte Hündinnen haben gemäss Studien tatsächlich ein erhöhtes Risiko für Lymphdrüsenkrebs – also ein Grund, sich gegen eine Kastration zu entscheiden. Über alle Hunde gesehen (weiblich, männlich, kastriert, unkastriert) bekommen etwa 40 von 100‘000 Hunden pro Jahr Lymphdrüsenkrebs. Daraus folgt, dass etwa 12 von 25‘000 kastrierten Hündinnen an Lymphdrüsenkrebs erkranken (statt 10, wie es dem statistischen Durchschnitt entsprechen würde). Im Vergleich dazu entwickeln sich aber bei etwa 1000 von 100‘000 Hündinnen pro Jahr Milchdrüsentumore, die je nach Rasse zwischen zu 25 (kleine Hunde) und 60% (grosswüchsige Rassen) bösartig sind. Und so stehen wir hier und fragen uns, ob bezüglich Krebs eine Kastration nicht doch Vorteile haben könnte.

Und für den einzelnen Patienten ist die Statistik sowieso gar nichts wert, denn er ist davon betroffen, egal ob häufig oder selten, für ihn zählt nur noch, ob es Möglichkeiten für eine Heilung oder Verbesserung der Lebensqualität gibt.

Tony Flury

Kleintierklinik Tony Flury, Amriswilerstr. 82, 8589 Sitterdorf

PS: Die genannten Zahlen stammen aus: Kleintieronkologie, Enke-Verlag; Herausgegeben von Martin Kessler