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Hier gibt es Wissenswertes über die Tierhaltung und den Besuch beim Tierarzt.

 

 

 

Wenn wir bei einem Patienten einen Tumor feststellen, ist dies wohl die häufigste Frage, die wir gestellt bekommen. Leider ist die Antwort darauf manchmal recht schwierig.

In den folgenden Zeilen möchte ich versuchen, ein paar Antworten auf diese Frage zu geben. Dazu müssen wir zuerst aber das „Verhalten“ der verschiedenen Tumore anschauen, denn kaum einer verhält sich wie der andere:

Einerseits gibt es Tumore, die grundsätzlich gutartig sind: das häufigste Beispiel dafür sind die sogenannten Lipome. Dies sind Ansammlungen von Fettzellen. Zwar können sie manchmal erstaunlich gross werden und so, je nach dem wo sie auftreten, störend sein. Aber sie bilden niemals Ableger und wenn sie vollständig entfernt sind, kommen sie nicht wieder.

Andererseits gibt es Tumore, die immer bösartig sind: hier seien als Beispiel die Knochentumore von Hunden erwähnt. Sie zerstören an ihrem Wachstumsort den Knochen, dass dieser sogar bei geringer Belastung brechen kann. Ausserdem bilden sie schnell Ableger: in etwa 80% der Fälle gibt es schon die sogenannten Metastasen, wenn der Tumor überhaupt entdeckt wird.

Zwischen diesen zwei Beispielen gibt es dann noch praktisch jedes erdenkliche Zwischenstadium oder mögliche Verhalten:

Fibrosarkome, eine Art Weichteiltumore der Unterhaut, bilden praktisch nie Ableger. Sie sind aber trotzdem als bösartig zu betrachten, weil sie „lokal aggressiv“ sind, das heisst, sie bilden ähnlich einem Baumstamm Wurzeln tief ins Gewebe und es muss sehr viel gesundes Gewebe mit dem Tumor weggeschnitten werden, um überhaupt eine Chance auf vollständige Entfernung zu haben.

Tumore der Analdrüsen sind nach den oben genannten Kriterien eigentlich als sehr bösartig zu bezeichnen: sie können lokal tief ins Gewebe einwachsen, sodass eine Entfernung oft nicht mehr möglich ist. Ausserdem bilden sie sehr schnell Ableger in die Lymphknoten und in die Lunge. Mit einer geeigneten Begleittherapie ist es aber oft möglich, dem Patienten für lange Zeit ein symptomfreies Leben zu ermöglichen, obwohl sich der Tumor bereits so massiv ausgebreitet hat.

Ein besonderes Phänomen sind die sogenannten Mastzelltumore. Mastzellen kommen praktisch überall im Körper vor, vor allem in der Haut. Sie sind unter anderem dafür verantwortlich, dass ein Mückenstich zu Juckreiz führt. Tumore dieser Zellen gibt es nun in jeder Variation. Sie können die Grösse eines Fussballs erreichen und völlig gutartig sein. Sie können die Grösse einer Erbse haben und bereits Ableger gebildet haben. Es kommt vor, dass man einen Mastzelltumor an einer Stelle entfernt und innert Tage oder Wochen an einer völlig anderen Stelle am Körper ein neuer Tumor entsteht. Sie können riesig sein, ohne dass der Körper an der betroffenen Stelle irgendeine Reaktion zeigt. Gerade so gut kann ein solcher Tumor aber lokal eine massivste Entzündung provozieren oder Substanzen ausschütten, die zu einem allergischen Schock führen können.

Anhand dieser Erklärungen ist es einleuchtend, dass schlussendlich spezifisch für jeden Patienten und jeden Tumor die Situation geklärt werden muss. Was für die Behandlung des einen Patienten Sinn machen kann, kann für einen anderen mit dem „gleichen“ Tumor völlig sinnlos sein. Wichtig ist es also, eine genaue Diagnose zu stellen und anschliessend individuell für den Patienten einen Therapieplan aufzustellen.

Tony Flury

Kleintierklinik, Amriswilerstr. 82, 8589 Sitterdorf

 

Wenn bei einem Tier (oder auch bei einem Menschen) Krebs diagnostiziert wird, steht fast sofort die Frage nach dem Warum im Raum. Es ist menschlich, dass wir wissen möchten, warum gerade jetzt mein Tier betroffen ist, und ob man etwas hätte anders machen können.

In den wenigsten Fällen gibt es darauf eine Antwort, vor allem auch deshalb, wenn wir uns überlegen, was Krebs überhaupt ist:

Der Körper besteht aus Milliarden von Zellen. Diese müssen ständig erneuert werden, manche Zellen leben nur einige Tage. Diese Erneuerung stellt ein Gleichgewicht dar aus Zellen, die neu gebildet werden und anderen, die absterben und eliminiert werden. Wir können uns vorstellen, dass dies ein extrem komplexer Vorgang ist und dass dabei jederzeit „Fehler“ passieren können, also, dass zum Beispiel plötzlich viel mehr Zellen als benötigt gebildet werden. Eigentlich ist es erstaunlich, dass diese Fehler nicht häufiger passieren. Genau gesagt passiert dies sehr häufig, im Normalfall zerstört das Immunsystem sofort Zellen, welche fehlerhaft sind. Geschieht dies nicht, bildet sich ein immer grösser werdender Zellhaufen – ein Tumor ist entstanden.

Beim Menschen sind sehr viele „Faktoren“, die zu solchen Fehlern führen, genau erforscht – ein Klassiker ist zum Beispiel das Rauchen. Daneben gibt es genetische Faktoren – so weiss man, dass das Risiko für bestimmte Krebsarten vererbt wird. Das Alter ist ebenfalls ein wichtiger Faktor – je älter wir werden, desto höher ist das Risiko, einer Krebserkrankung. Hier dürfte vor allem eine Rolle spielen, dass das erstens mehr Fehler bei der Zellerneuerung passieren und zweitens das Immunsystem nicht mehr so leistungsfähig ist.

Bei den Tieren gibt es sehr viel weniger Daten dazu. Man kann aber davon ausgehen, dass viele der Faktoren, die beim Menschen eine wichtige Rolle spielen, bei Tieren eine ähnliche Bedeutung haben dürften. So ist das Alter ganz klar auch bei Tieren von grossem Einfluss. Passivrauchen kann heute bei Katzen ebenfalls mit gewissen Krebstypen wie Lymphdrüsenkrebs in Verbindung gebracht werden. Gewisse Krebsarten sind bei manchen Rassen deutlich häufiger als bei anderen, die Genetik spielt also sicher ebenfalls eine Rolle.

Auf einen viel diskutierten Punkt möchte ich hier zum Schluss noch eingehen: die Kastration. In vielen Bloggs und Foren wird vehement davor gewarnt, vor allem Hunde, aber zunehmend auch Katzen, zu kastrieren, weil dadurch vermehrt Krebserkrankungen entstehen.

Ich möchte an dieser Stelle nicht darüber schreiben, ob man Hunde und Katzen kastrieren soll und ich mache dazu auch niemandem Vorschriften. Diese Entscheidung soll und muss jede Tierbesitzerin und jeder Tierbesitzer selbst treffen, wir stehen auf Wunsch gerne beratend zur Seite. Es ist aber wichtig, die herumgeisternden Zahlen etwas genauer anzusehen und nicht einfach nur die „Schlagzeile“ in die Runde zu werfen:

Kastrierte Hündinnen haben gemäss Studien tatsächlich ein erhöhtes Risiko für Lymphdrüsenkrebs – also ein Grund, sich gegen eine Kastration zu entscheiden. Über alle Hunde gesehen (weiblich, männlich, kastriert, unkastriert) bekommen etwa 40 von 100‘000 Hunden pro Jahr Lymphdrüsenkrebs. Daraus folgt, dass etwa 12 von 25‘000 kastrierten Hündinnen an Lymphdrüsenkrebs erkranken (statt 10, wie es dem statistischen Durchschnitt entsprechen würde). Im Vergleich dazu entwickeln sich aber bei etwa 1000 von 100‘000 Hündinnen pro Jahr Milchdrüsentumore, die je nach Rasse zwischen zu 25 (kleine Hunde) und 60% (grosswüchsige Rassen) bösartig sind. Und so stehen wir hier und fragen uns, ob bezüglich Krebs eine Kastration nicht doch Vorteile haben könnte.

Und für den einzelnen Patienten ist die Statistik sowieso gar nichts wert, denn er ist davon betroffen, egal ob häufig oder selten, für ihn zählt nur noch, ob es Möglichkeiten für eine Heilung oder Verbesserung der Lebensqualität gibt.

Tony Flury

Kleintierklinik Tony Flury, Amriswilerstr. 82, 8589 Sitterdorf

PS: Die genannten Zahlen stammen aus: Kleintieronkologie, Enke-Verlag; Herausgegeben von Martin Kessler