Telefon: 071 420 02 06

Wann ist ein Tumor gutartig, wann bösartig?

 

 

Wenn wir bei einem Patienten einen Tumor feststellen, ist dies wohl die häufigste Frage, die wir gestellt bekommen. Leider ist die Antwort darauf manchmal recht schwierig.

In den folgenden Zeilen möchte ich versuchen, ein paar Antworten auf diese Frage zu geben. Dazu müssen wir zuerst aber das „Verhalten“ der verschiedenen Tumore anschauen, denn kaum einer verhält sich wie der andere:

Einerseits gibt es Tumore, die grundsätzlich gutartig sind: das häufigste Beispiel dafür sind die sogenannten Lipome. Dies sind Ansammlungen von Fettzellen. Zwar können sie manchmal erstaunlich gross werden und so, je nach dem wo sie auftreten, störend sein. Aber sie bilden niemals Ableger und wenn sie vollständig entfernt sind, kommen sie nicht wieder.

Andererseits gibt es Tumore, die immer bösartig sind: hier seien als Beispiel die Knochentumore von Hunden erwähnt. Sie zerstören an ihrem Wachstumsort den Knochen, dass dieser sogar bei geringer Belastung brechen kann. Ausserdem bilden sie schnell Ableger: in etwa 80% der Fälle gibt es schon die sogenannten Metastasen, wenn der Tumor überhaupt entdeckt wird.

Zwischen diesen zwei Beispielen gibt es dann noch praktisch jedes erdenkliche Zwischenstadium oder mögliche Verhalten:

Fibrosarkome, eine Art Weichteiltumore der Unterhaut, bilden praktisch nie Ableger. Sie sind aber trotzdem als bösartig zu betrachten, weil sie „lokal aggressiv“ sind, das heisst, sie bilden ähnlich einem Baumstamm Wurzeln tief ins Gewebe und es muss sehr viel gesundes Gewebe mit dem Tumor weggeschnitten werden, um überhaupt eine Chance auf vollständige Entfernung zu haben.

Tumore der Analdrüsen sind nach den oben genannten Kriterien eigentlich als sehr bösartig zu bezeichnen: sie können lokal tief ins Gewebe einwachsen, sodass eine Entfernung oft nicht mehr möglich ist. Ausserdem bilden sie sehr schnell Ableger in die Lymphknoten und in die Lunge. Mit einer geeigneten Begleittherapie ist es aber oft möglich, dem Patienten für lange Zeit ein symptomfreies Leben zu ermöglichen, obwohl sich der Tumor bereits so massiv ausgebreitet hat.

Ein besonderes Phänomen sind die sogenannten Mastzelltumore. Mastzellen kommen praktisch überall im Körper vor, vor allem in der Haut. Sie sind unter anderem dafür verantwortlich, dass ein Mückenstich zu Juckreiz führt. Tumore dieser Zellen gibt es nun in jeder Variation. Sie können die Grösse eines Fussballs erreichen und völlig gutartig sein. Sie können die Grösse einer Erbse haben und bereits Ableger gebildet haben. Es kommt vor, dass man einen Mastzelltumor an einer Stelle entfernt und innert Tage oder Wochen an einer völlig anderen Stelle am Körper ein neuer Tumor entsteht. Sie können riesig sein, ohne dass der Körper an der betroffenen Stelle irgendeine Reaktion zeigt. Gerade so gut kann ein solcher Tumor aber lokal eine massivste Entzündung provozieren oder Substanzen ausschütten, die zu einem allergischen Schock führen können.

Anhand dieser Erklärungen ist es einleuchtend, dass schlussendlich spezifisch für jeden Patienten und jeden Tumor die Situation geklärt werden muss. Was für die Behandlung des einen Patienten Sinn machen kann, kann für einen anderen mit dem „gleichen“ Tumor völlig sinnlos sein. Wichtig ist es also, eine genaue Diagnose zu stellen und anschliessend individuell für den Patienten einen Therapieplan aufzustellen.

Tony Flury

Kleintierklinik, Amriswilerstr. 82, 8589 Sitterdorf